Banken und Versicherungen in der Schweiz haben zur Entwicklung von Innovationen im Bereich der Finanzdienstleistungen zuletzt stark auf das Instrument des Corporate Venturing gesetzt: das heisst Direkt-Investitionen in Start-Ups oder der Aufbau eigener Innovationseinheiten. Die Zufriedenheit ist uneinheitlich: Es finden sich Erfolge in allen Bereichen, aber insbesondere bei neuen Produkten, Effizienz-Verbesserung und Wachstum konnten die Erwartungen bisher nicht voll erfüllt werden. Die Branche wird in den Folgejahren ihre Aktivitäten im Bereich Corporate Venturing neu ausrichten.
Die Studie betrachtet jeweils 20 Banken und 15 Versicherer im Detail: 13 Banken sind im Corporate Venturing aktiv, in 8 Fällen haben sie eigene Innovationseinheiten gegründet. 10 betrachteten Versicherer haben Aktivitäten gezeigt, 6-mal haben sie selbst Innovationsteams gegründet. 20 von 35 Finanzdienstleister haben Kapital für externe Ventures wie Start-Ups zur Verfügung gestellt. In 11 Fällen haben die Unternehmen sowohl interne Einheiten aufgebaut als auch extern finanziert.
Im Detail haben alle Universalbanken, zwei Drittel (67 Prozent) der Kantonalbanken und deutlich mehr als die Hälfte der Privatbanken (57 Prozent) zuletzt auf Corporate Venturing gesetzt. Ein ähnliches Bild zeigen die Schweizer Versicherungen: 78 Prozent der Lebens-/Nicht-Lebens-Versicherungen nutzen Corporate Venturing und jeweils die Hälfte (50 Prozent) der Rückversicherer sowie der jeweils auf Lebens- und Nicht-Lebens-Versicherungen spezialisierten Unternehmen.
Zur externen Förderung von Innovation haben die Schweizer Finanzdienstleister seit 2012 Venture-Kapital für 292 Start-Ups zur Verfügung gestellt. Thematische Schwerpunkte: Health, FinTech, Technology, Analytics und InsurTech.
Corporate Venturing facettenreich durch Schweizer Finanzdienstleiter eingesetzt
Corporate Venturing besteht aus zwei Aspekten, dem Corporate Venture Building und dem Corporate Venture Capital. Im Bereich Corporate Venture Building haben sich drei Formen interner Organisationseinheiten herauskristallisiert: (1) Innovation Factorys/Labs sind interne Einheiten, die auf Basis aktueller Methoden zur Innovationsförderung an neuen Produkten und Prozessverbesserungen arbeiten. Das Ziel: Diese Innovationen ins eigene Unternehmen tragen. (2) Open Innovation Teams sind kleine Teams, die mit externen Start-Ups, führenden Wissenschaftlern und anderen Drittorganisationen zusammenarbeiten, um mit diesen gemeinsam Innovationen zu entwickeln. Ein (3) Inkubator ist ein Team, das aus Experten für agile Methoden wie Design Thinking und Agile Development besteht und auf Basis dieser Methoden an ganz spezifischen Innovations-Fragestellungen tüftelt.
Für Corporate Venture Capital haben Schweizer Finanzdienstleister auch auf verschiedene Methodiken gesetzt. Sie haben beispielsweise ihre (1) eigene Einheit gegründet, welche darauf fokussiert ist, vielversprechende Startups zu finden und Direkt-Investitionen zu tätigen. Alternativ wurden die Corporate Venture Capital Aktivitäten an einen (2) Venture Capital as a Service Anbieter ausgelagert und somit mussten sich die Firmen nicht selbst aktiv mit der Thematik auseinandersetzen. Als dritte beobachtete Option wurde schlichtweg (3) keine dedizierte Einheit ins Leben gerufen und Corporate Venture Capital ist im täglichen Geschäft integriert.
Lernkultur aufgebaut, aber Erwartungen an Effizienz- und Ergebnisverbesserungen bisher nicht klar erfüllt
Um die Auswirkungen von Corporate Venturing genauer zu verstehen, hat TTE Strategy mit den untersuchten Unternehmen direkt gesprochen. Die Unternehmen haben von einer Verbesserung der Lernbereitschaft und -fähigkeit sowie einer größeren Offenheit für Innovationen als Ergebnisse ihrer Aktivitäten berichtet. Ebenso hat Corporate Venturing dazu beigetragen, die Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen, insbesondere für Zielgruppen mit hoher Affinität zu Technologie und Digital. Allerdings auch für langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dadurch neue Perspektiven erkannt haben, war Corporate Venturing ein Attraktivitätsgewinn.
Geht es um harte Ergebnisse, war die Zufriedenheit weniger stark ausgeprägt. Die Erwartungen hinsichtlich gestiegener Effizienz, neuer Produkte und einem gestiegenen Profit haben sich bei vielen Schweizer Finanzdienstleistern bisher nicht erfüllt. Niemand war der Meinung, dass die unternommenen Schritte falsch waren. Aber der mögliche Output ist in den meisten Fällen anders eingeschätzt worden. Hier hatte man sich mehr versprochen.
Erfolgs- und Fehlermuster sind erkennbar, Unternehmen richten ihre Aktivitäten 2023 neu aus
Die Unzufriedenheit mit den Ergebnissen korreliert häufig mit den gleichen Problemen im Design von Struktur und Prozessen der internen Innovationseinheiten. Teils zu breite, teils zu eingeengte Zielsetzung, unrealistische Einschätzungen von möglichen Ergebnissen in Relation zu eingesetztem Kapital und Zeit, falsche Operating Models, das Fehlen notwendiger Fachkompetenzen, nicht ausreichender persönlicher Einsatz der Beteiligten und kulturelle Inkompatibilität.
Grundsätzlich gilt sicherlich: Besser ‚machen‘ als ‚nicht machen‘. Aber im Laufe des Machens gilt es immer wieder zu überprüfen: Haben wir ein klares, erreichbares Ziel? Sind wir auf dem richtigen Weg dorthin? Ziehen alle relevanten internen und externen Stakeholder an einem Strang? Schaffen wir echten Mehrwert oder drohen wir die eigene Organisation zu überfordern? Es ist das Merkmal agiler Einheiten, sich ständig neu auszurichten. Einige der Schweizer Unternehmen haben unterschätzt, wie grundsätzlich diese Neuausrichtungen im Kontext von Innovationsförderung manchmal sein können.
Zuletzt haben Unternehmen ihren Fokus im Corporate Venturing verändert. In den Folgejahren wird es jetzt darum gehen, die eingegangenen internen wie externen Investitionen erneut zu bewerten und neu auszurichten. Gerade diejenigen, die sich ihre Fehler der Vergangenheit eingestanden haben, sind bestens dafür gewappnet, die nächste Runde des Corporate Venturing in der Schweizer Finanzindustrie erfolgreich einzuleiten.
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TTE Strategy