Viele Unternehmen haben zuletzt die IT-gestützte Automatisierung von Prozessen eingeführt, zum Beispiel im Rechnungs- oder Personalwesen. Das Ziel: Manuelle, repititive Arbeitsschritte künftig automatisiert schneller und effizienter auszuführen – um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich relevante Aufgaben zuzuweisen oder Personalkosten zu reduzieren. Nach zwei bis drei Jahren sollten die eingeführten Programme jetzt auf den Prüfstand. Niklaus Wildberger, Managing Director und Experte for Robotic Process Automation (RPA) benennt die vier wichtigten Punkte, auf die Unternehmen ihre bisherige RPA-Strategie jetzt überprüfen sollten.
Vielfach beobachte ich, dass RPA-Initiativen aus dem operativen Geschäft oder der IT-Abteilung heraus durchgeführt werden. Das hat zur Folge, dass sowohl die Allokation der benötigten Ressourcen als auch die Beseitigung von strukturellen und organisatorischen Problemen – zum Beispiel im Zusammenspiel der jeweiligen Bereiche und Abteilungen – häufig auf einer Hierarchieebene durchgeführt werden muss, die nicht autonom entscheiden kann. Sie muss zunächst alle Schritte ‚von oben‘ absegnen lassen. Das führt zu einem erheblichen Zeitverzug. Darum ist vom Top-Management zu prüfen, ob und wie diese Prozesse beschleunigt werden können. Denn nur so lässt sich einer der grossen Vorteile von RPA, die Möglichkeit einer raschen Umsetzung, auch effektiv nutzen. Zentral für die C-Level-Ebene ist es, den nachgeordneten Ebenen genügend eigenen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen.
Mit der vorhergehenden Überlegung einher geht, dass RPA nicht im ‚Silo‘ und isoliert von der Gesamtentwicklung des Unternehmens betrieben werden sollte – wenn es sich nicht um eine reine Test-Phase handelt. Wer die einen damit beauftragt, die Organisation umzubauen und die anderen, eine (technische) RPA-Lösung zu implementieren, der handelt bereits falsch. Wer sich heute für RPA entscheidet oder bereits entschieden hat, sollte alle weiteren Initiativen der Unternehmensentwicklung künftig stets darauf prüfen, ob und welchen Anteil RPA in diesem Kontext haben kann und soll. Dazu gehört auch die Ausrichtung einer langfristigen Personalplanung. Denn unabhängig davon, wie und wie schnell die Automatisierung in Unternehmen voranschreitet scheint heute bereits eins festzustehen: Die ‚Workforce‘ wird sich quantitativ wie qualitativ dadurch deutlicher verändern. Dies sollte und muss schon heute antizipiert werden, um nicht in einigen Jahren die Falschen und davon auch noch zu Viele zu haben.
In RPA-Initiativen, die ich zuletzt beobachtet habe, wird vor allem mit Vokabeln wie ‚Verschlanken‘, ‚Einsparen‘ und ‚Fokussieren‘ argumentiert. Wer aber überdenkt, wer Rezipienten dieser Botschaften sind, der wird dies kritisch hinterfragen müssen: Schließlich ist eine erfolgreiche RPA-Einführung ohne eine entschiedene Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht denkbar. Die vielfach gewählte Kommunikation führt viel zu häufig dazu, dass genau diese wichtigen Mitstreiter sich mehr oder weniger offen gegen RPA stellen, da sie ihre eigene Stellung – um es ganz konkret zu sagen: ihren Job! – in Gefahr sehen. Kommunikation muss darum aus ihrer Perspektive gestaltet werden und ihnen aufzeigen, wie sich ihre Arbeit durch RPA verändern wird. Der wichtigste Faktor in dieser Form der Kommunikation: Fairness. Es gilt zu beschreiben, welche Perspektiven sich für sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer neuen Organisationsform ergeben werden. Aber es gilt auch denjenigen zu verdeutlichen, die vielleicht ihren Job verlieren werden, dass dies eine Konsequenz sein kann und wird. Bei gleichzeitiger deutlicher Bekundung des Respekts vor der geleisteten Arbeit und dem ernsthaften Angebot, auch in einer so schwierigen Phase seitens der Unternehmen zu helfen, externe Perspektiven zu schaffen. Damit einher geht, dass dies nicht nur auf kommunikativer Ebene verkündet werden, sondern auch organisatorisch vorbereitet werden muss.
Zuletzt ein technischer Punkt: Bisher war der RPA-Markt vor allem unter drei Anbieter aufgeteilt: UiPath, Automation Anywhere und Blueprism. Während UiPath eine erfolgreichen Börsengang hingelegt hat, sind aber auch Konzerne wie SAP und Microsoft in den Markt eingestiegen, die hier hohe Investitionen tätigen und die Software-Kosten für Kunden potenziell deutlich drücken werden in Zukunft. Falls aktuell weitere Investitionen in RPA anstehen, ist es zentral zu prüfen, ob Sie weiterhin auf ihre angestammten Anbieter setzen wollen, oder ob ein neuer Anbieter besser in ihre IT Landschaft passt oder diese sinnvoll ergänzt. Wichtige Fragen, die dazu beantwortet werden müssen: Investieren die bisher genutzten Anbieter ausreichend in die Weiterentwicklung ihrer Produkte, um langfristig überlebensfähig zu sein? Welcher Prozess kann neu in RPA einbezogen und mit einem neuen Anbieter besetzt werden? Wie gelingt es die Komplexität nicht zu erhöhen und trotzdem unterschiedliche Technologien zu testen und zu integrieren? Es ist aktuell zu früh für eine zielgenaue Prognose, wer sich durchsetzen wird. Fest steht jedoch: Wer jetzt aufs falsche Pferd setzt und zu späterem Zeitpunkt komplett umschwenken muss, der wird einen deutlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber denjenigen erleiden, denen es gelungen ist sich die (technischen) Türen offen zu halten.
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