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Strategie zum Frühstück: Warum die Kulturdebatte in Unternehmen häufig unscharf und nicht zielorientiert geführt wird


Niklaus Wildberger
06.09.2021
Niklaus Wildberger
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Wer die richtige Unternehmenskultur hat, der ist auch erfolgreich. Das ist mittlerweile erwiesen. Aber was ist die ‚richtige‘ Unternehmenskultur? Wie findet man sie? Niklaus Wildberger, Managing Director der Unternehmensberatung TTE Strategy, über Missverständnisse in der heutigen Kulturdebatte und Möglichkeiten, sich dem komplexen Thema zu nähern.

Was macht eine gute Unternehmenskultur aus?

Niklaus Wildberger: Aus meiner Sicht ist sehr schwer zu beurteilen, ob eine Kultur per se ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ ist. Es ist aus Sicht der Unternehmensführung viel interessanter die Frage zu stellen: Ist die gelebte Kultur in meinem Unternehmen kongruent mit meinem Geschäftsmodell, meinen Unternehmenszielen? Also, ist die Kultur funktional? Wenn ich als Ziele die Maximierung von Profit und die Minimierung von Kosten ausgegeben habe, aber eine Kultur entwerfe, die auf ausgleichendes Miteinander setzt: Das wird nicht zusammenpassen. Oder wenn ich meinen Kunden „ständige Höchstleistungen“ verspreche, aber in der Kultur den Wert Freizeit überbetone – ich habe selten gesehen, dass sich das verheiraten lässt. Kultur beginnt dann dysfunktional zu sein. Das führt zu einem negativen Einfluss auf den Unternehmenserfolg.

Aber bedeutet gute Kultur nicht Harmonie, Achtsamkeit, Fairness? Oder weitere Attribute und Werte, die gern von Beratern den Unternehmen nahegelegt werden, um die Unternehmenskultur zu verbessern?

Niklaus Wildberger: In der öffentlichen Debatte hat sich das schon sehr auf diese ‚guten‘ Werte eingeschossen. Und auch für mich selbst muss ich sagen: Mir sind solche Werte ganz wichtig. Aber dann kommen in meinem Beruf auch noch Wettbewerb, Geschwindigkeit und voller Einsatz für den Kunden dazu. Bei anderen sieht das aber wieder ganz anders aus: Wer besonders ehrgeizig ist und schnell Karriere machen möchte, den mögen zu viel Harmonie und Achtsamkeit auch eher behindern. Man muss aufpassen, dass man die Bedürfnisse von Menschen nicht über einen Kamm schert, unabhängig von den gerade in der Öffentlichkeit diskutierten Trends. Unternehmenskultur muss vor allem einen betrieblichen Wert schaffen. Das muss das Augenmerk bei ihrer Ausgestaltung sein. Ich empfehle, da zunächst immer ganz nüchtern ranzugehen und sich nicht zu sehr von fertigen Schablonen beeinflussen zu lassen. Werte müssen miteinander in Bezug gesetzt und austariert werden.

Manchmal hat man das Gefühl: Alle reden von Kultur. Doch alle verstehen auch etwas anderes darunter. Ist das ganze Thema vielleicht nicht einfach nur Zeitgeist, in den zu viel Energie und damit Geld investiert wird?

Niklaus Wildberger: Die unzureichende oder auch gar nicht vorhandene Definition von Kultur erlebe ich immer wieder. Das wird alles in einen Topf geworfen mit anderen Trends wie Purpose und Vision, Unternehmensstrategie oder dem Führungsmodell. Wer sich dann aufmacht, an der Kultur zu arbeiten, wird mit einem solch unklaren Bild relativ schnell feststecken. Und ist anfällig dafür, sich den oben skizzierten Harmonie-Ansatz als Allheilmittel verkaufen zu lassen. Übrigens ringt auch die Wissenschaft immer wieder mit kontroversen und neuen Definitionen. Eine mögliche Definition, die ich für eingängig und pragmatisch halte: Unternehmenskultur beschreibt die Verhaltensweisen und den Umgang von Menschen einer Organisation untereinander und mit Dritten, geprägt durch das Geschäftsmodell, Ziele, Strukturen, Prozesse, Rahmenbedingungen und Tradition des Unternehmens. Eine solche Definition verdeutlicht auch, dass die Unternehmensführung die eigene Kultur maßgeblich beeinflussen kann. Die Relevanz von Kultur für Erfolg ist wissenschaftlich und in Beobachtungen vielfach bewiesen. Darum ist Kultur kein Zeitgeist-Thema. Es ist ein die nächsten Jahrzehnte prägendes Thema für Unternehmen.

Die Unternehmensführung kann also die Kultur beeinflussen. Dagegen spricht: Es wurden in den letzten Jahren vielfache Kultur- und Führungsleitbilder entwickelt. Der Effekt auf die Kultur war vielfach gleich Null. Wie passt das zusammen?

Niklaus Wildberger: Leitbilder sind wichtig. Aber vielfach wurde sich im Elfenbeinturm überlegt, wie man sich denn selbst gern sehen würde. Was ohne Effekt bleibt, weil das reine Ausgeben neuer Losungen zu keiner Verhaltensänderung führt. Wenn Unternehmen Kultur verändern wollen, müssen sie ganz konkret bei den von mir schon skizzierten Hebeln ansetzen: Ziele verändern, Strukturen anpassen, Prozesse neu definieren. Wer harte Fakten schafft, wird feststellen, dass dies Stück für Stück zu Anpassungen im Verhalten der eigenen Mannschaft führen wird. Die Herausforderung ist, die richtigen Hebel zu definieren und genau zu prüfen, wie weit diese für welche Verhaltensänderung auch betätigt werden müssen. Aus einer Harmonie-geprägten Verständniskultur machen Sie nicht nur mit überzogenen Zielen und bisher nicht vorhandenen Sanktionsmechanismen in den Prozessen morgen ein Höchstleistungsteam. Zu einer Verhaltensänderung werden ihre neuen Regeln aber dennoch führen. Nur vielleicht eher in eine ganz andere Richtung. Nämlich, dass das Team ‚bockig‘ reagiert, zynisch wird, Identität verliert und die Leistung absinkt. Zuletzt ist mir wichtig: Führungskräfte müssen diese Verhaltensänderungen vor- und mitleben. Sonst wird es grundsätzlich nicht klappen.

Wo sollte ein Unternehmen also als erstes ansetzen, wenn die Kultur neu aufgestellt werden soll?

Niklaus Wildberger: Veränderungen müssen an allen Stellen ineinandergreifen. Wir haben noch nicht über Purpose, also den Sinn und Zweck des Unternehmens gesprochen. Darum sollte es stets damit losgehen, denn Purpose und Ziele müssen eine Kongruenz untereinander aufweisen, um ein schlüssiges Geschäftsmodell zu bilden. Darauf sind Struktur und Prozesse abzustimmen. Es ist wichtig, all diese Elemente nicht isoliert zu denken. Sondern zu verstehen, dass sie sich untereinander durchgängig beeinflussen und darum schlüssig aufeinander abgestimmt sein müssen. Weil das so komplex ist, ist ein Kulturprojekt eben auch nicht das neue Führungsleitbild oder das Prozess-Redesign, das in zwei Monaten abgeschlossen ist. Kultur zu verändern ist ein komplexer, langwieriger und sehr anstrengender Prozess. Da sollte sich niemand etwas vormachen. Es geht ans Innerste des Unternehmens. Mit dieser klaren Erwartungshaltung sollte man die eigene Kulturveränderung angehen, vielleicht auch mit ein wenig Demut.

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